Der Unterschied von Prozent und Prozentpunkten beim Zinssatz für Verzugszinsen

1. Vorbemerkungen

Der Schuldner einer säumigen Forderung ist zum Ersatz des Verzögerungsschadens verpflichtet, er schuldet somit Schadenersatz nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Bei Geldforderungen bedeutet das den Ersatz des Zinsschadens des Gläubigers in Form von Verzugszinsen. Sofern kein anderer Zinssatz vereinbart wurde, gilt der gesetzliche Zinssatz nach § 288 BGB. Dieser beträgt gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für Verbraucher i.S. von § 13 BGB fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB. Bei allen anderen Schuldnern wird gemäß § 288 Abs. 2 BGB ein Verzugszins mit acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz fällig. Die Deutsche Bundesbank setzt den Basiszinssatz jeweils zum 1.1. und 1.7. eines Jahres fest und veröffentlicht ihn im Bundesanzeiger.1)

2. Der Unterschied von Prozent und Prozentpunkten

Im juristischen Sprachgebrauch kommt es bei der Definition eines Begriffs auf die korrekte Bezeichnung an. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 288 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB betragen die Verzugszinsen fünf bzw. acht „Prozentpunkte“ und nicht fünf bzw. acht „Prozent“ über dem Basiszinssatz. Sogar Fachleute verwechseln die Begriffe „Prozent“ und „Prozentpunkte“. Manchen scheint dieser Unterschied auch gar nicht geläufig zu sein. Selbst in anwaltlichen Schriftsätzen und notariellen Kaufverträgen werden Verzugszinsen mit „fünf Prozent über dem Basiszinssatz“ formuliert. Mathematisch gesehen ist es aber so, dass fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nicht das gleiche sind wie fünf Prozent darüber. Das lässt sich leicht an folgendem Beispiel erkennen:

Im ersten Halbjahr 2010 betrug der Basiszinssatz nach § 247 BGB 0,12 Prozent. Will man den gesetzlichen Verzugszins bei einem Verbraucher ausrechnen, muss man zum Basiszinssatz von 0,12 Prozent fünf Prozentpunkte hinzuaddieren. Dies ergibt dann einen Verzugszins von 5,12 Prozent. Man darf also nicht den Fehler machen, den Basiszinssatz von 0,12 Prozent um fünf Prozent zu erhöhen. Dies wären nämlich nur 0,006 Prozentpunkte. Man würde im Ergebnis also den Basiszinssatz in Höhe von 0,12 Prozent nur um 0,006 Prozentpunkte erhöhen, was einen Verzugszins von nur 0,126 Prozent ergeben würde.

Prozent – kenntlich gemacht durch das Symbol „%“ – ist Ausdruck eines mathematischen Verhältnisses, also weder eine Maßeinheit noch ein absoluter Betrag. Prozent bedeutet Hundertstel. Beispielsweise kann man 5 Prozent (5 %) auch als fünf Hundertstel (5/100) oder als fünf vom Hundert (5 v.H.) ausdrücken.2) Prozent bedeutet „Hundertstel von“, weshalb man immer angeben muss, worauf sich Prozent bezieht bzw. wieviel Hundertstel wovon gemeint sind.

Der Begriff Prozentpunkt3) bezeichnet den absoluten Unterschied zwischen zwei relativen Angaben, die in Prozent vorliegen.4) Ein Prozentpunkt entspricht der Veränderung, die notwendig ist, um eine Prozentzahl um 1 zu erhöhen. Eine Erhöhung um einen Prozentpunkt ist nicht das gleiche wie eine Erhöhung um ein Prozent. Beispiel: Erhöht man 8 Prozent um einen Prozentpunkt, ergibt das 9 Prozent, was einer Steigerung um 12,5 Prozent entspricht. Erhöht man 8 Prozent um 1 Prozent, ergibt dies 8,08 Prozent. Dieser Unterschied von Prozentpunkten und Prozent wird häufig übersehen und kann zu Missverständnissen führen. Wie aus dem obigen Rechenbeispiel zu ersehen ist, führt eine verhältnismäßige bzw. eine absolute Erhöhung des Basiszinssatzes zu unterschiedlichen Ergebnissen.

3. Eine unklare Bezeichnung kann zu Missverständnissen führen

Bei der Vertragsgestaltung und in Verfahren zum Forderungseinzug mit Verzugszinsen könnte es sich negativ auswirken, wenn Prozent mit Prozentpunkten verwechselt werden. In § 288 BGB heißt es aber ausdrücklich „Prozentpunkte“. Um Nachteile zu vermeiden, ist deshalb die sprachlich korrekte Bezeichnung „Prozentpunkte“ zu verwenden. Dadurch kommt eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck, dass nicht der Basiszinssatz um einen prozentualen Anteil erhöht wird, sondern dass zu diesem fünf Prozentpunkte hinzuaddiert werden. Mit der korrekten Bezeichnung lässt sich von vornherein unnötiger Streit vermeiden.

In einer vertraglichen Verzugsregelung oder in einer Klage sollten deshalb Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten und nicht in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz erwähnt werden. Andernfalls wird regelmäßig deutlich weniger verlangt, als nach dem Gesetz zusteht. Kommt es zu einem Prozess, ist dieses Risiko durchaus gegeben. Ob das Gericht auf einen Antrag, der „Prozent“ formuliert, Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zusprechen kann, ist wegen des prozessrechtlichen Grundsatzes „ne ultra petita“ umstritten.5) Dieser Antrags-Grundsatz ist im deutschen Zivilprozessrecht in § 308 Abs. 1 ZPO gesetzlich geregelt. Man kann natürlich auch die Meinung vertreten, bei „5 Prozent über dem Basiszinssatz“ müsse doch jeder wissen, was gemeint sei, weil es sich nur um die gesetzliche Standardverzinsung handeln könne.

4. Unterschiedliche Judikatur zu Prozent und Prozentpunkten

4.1 Eine unklare Zinsforderung weckt Zweifel

Nachdem eine Vereinbarung oder ein Klageantrag mit dem Wortlaut „Prozent über dem Basiszinssatz“ erkennbar nicht dem Gesetzestext des § 288 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2 BGB entspricht, stellt sich die Frage, was eigentlich gemeint sein soll, wie viel Zinsen also beansprucht werden. Eine derartige Zinsforderung ist sprachlich weniger korrekt als das Gesetz, was durchaus unterschiedlich interpretiert werden kann. Es handelt sich hier um das leidige Thema der Unterscheidung zwischen „Prozent“ und „Prozentpunkt“. So verwundert es nicht, dass in der Rechtsprechung auch gegensätzliche Meinungen vertreten werden, die nachfolgend erwähnt sind.

4.2 Korrektur einer unklaren Zinsforderung

Soweit sich die Judikatur ausdrücklich mit diesem Unterschied befasst hat, ist es bisher noch zu keiner einheitlichen Meinung gekommen. Auf der einen Seite wird die Auffassung vertreten, wonach der Wortlaut „Prozent über dem Basiszinssatz“ dahingehend zu verstehen sei, dass entsprechend der Gesetzeslage des § 288 Abs. 1 und 2 BGB eine Verzinsung nach „Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ begehrt werde. In der prozessualen Praxis werde die Formulierung „Prozent“ stets wie selbstverständlich mit der Formulierung „Prozentpunkte“ gleichgesetzt. Eine andere Auslegung könne nicht ernsthaft in Frage kommen, so das OLG Hamm in seiner Entscheidung zur Zinsvereinbarung in einem Prozessvergleichsvertrag.6) Auch das OLG Frankfurt a.M. kommt zum Ergebnis, dass eine Formulierung „5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz“ entsprechend der Gesetzeslage des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB auszulegen ist.7) Genauso versteht auch das LG Stade „5 Prozent“ als „5 Prozentpunkte“ über dem Basiszinssatz. Obwohl nicht der gesetzliche Wortlaut benutzt werde, sei doch für jedermann klar, dass sich die 5 Prozent nicht auf den Basiszinssatz, sondern auf den Betrag beziehen.8) Auch das Bundessozialgericht hat einen Klageantrag „8 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz“ in „8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“ unter Hinweis auf § 288 Abs. 2 BGB korrigiert.9) Die gleiche Auffassung vertritt auch das OLG Frankfurt/M., wenn es feststellt: „Da mit 5 Prozent über dem Basiszinssatz offensichtlich auf den gesetzlichen Verzugszinssatz des § 288 Abs. 1 BGB abgestellt wird, hat der Senat den Anspruch im Wege der Berichtigung dem Gesetz angepasst.“10)

4.3 Maßgebend soll der Wortlaut der Zinsforderung sein

Nach gegenteiliger Auffassung soll ein Klageantrag mit „5 Prozent über dem Basiszinssatz“ eindeutig und im Hinblick auf einen höheren Zinsanspruch nicht auslegungsfähig sein, zumal dann, wenn den Antrag ein Anwalt formuliert hat. Wenn „5 Prozent über dem Basiszinssatz“ beantragt würden, werde damit deutlich weniger verlangt, als das Gesetz in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB vorsehe. Das Gericht könne aber gemäß § 308 Abs. 1 ZPO nicht mehr zusprechen als beantragt sei.11) Dass Prozente und Prozentpunkte Verschiedenes sind, hat auch das OLG Koblenz erkannt. Es ist allerdings zweifelhaft, ob dieses Gericht den Unterschied richtig verstanden hat. Es hat auf den Zinsantrag in Höhe von „5 Prozent über dem Basiszinssatz“ dem Kläger Zinsen in Höhe von „5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ zugestanden. In der Urteilsbegründung hat das Gericht dazu ausgeführt: „Dabei ist der Zinssatz aber gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz zu begrenzen; insoweit geht der Klageantrag zu weit, in dem er Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz fordert.“12)

4.4 Keine Entscheidung über einen unklaren Zinsantrag

Das Bundesarbeitsgericht hatte es im Jahr 2004 ausdrücklich offen gelassen, wie ein von § 288 BGB abweichender Zinsantrag zu werten ist. Es hatte ein Verfahren vorliegen, in dem das Arbeitsgericht Freiburg einem Klageantrag mit dem Wortlauf „5 Prozent über dem Basiszinssatz“ voll entsprochen hatte.13) Das Landesarbeitsgericht hatte sich in seinem Berufungsurteil dazu nicht geäußert.14) Letztlich hatte das Bundesarbeitsgericht aber nicht darüber zu entscheiden, ob der Zinsantrag des Klägers und der Tenor der arbeitsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des gesetzlich möglichen Zinssatzes auszulegen sind. In seinem siebten Orientierungssatz hat es dazu lediglich festgestellt: „Werden Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank beantragt, entspricht das zumindest nach dem Wortlaut nicht dem höheren gesetzlichen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.“ In der Urteilsbegründung hat das BAG noch zum Ausdruck gebracht, dass ein Wert von fünf Prozent über dem Basiszinssatz regelmäßig deutlich weniger als ein solcher von fünf Prozentpunkten über diesem Satz ist.15)

4.5 Zuspruch von Zinsen wie beantragt

Wieder andere Gerichte nehmen einen Zinsantrag mit „fünf Prozent über dem Basiszinssatz“ wörtlich und tenorieren genauso, ohne dass in der Urteilsbegründung näher auf den Verzugszinssatz eingegangen wird.16)

5. In der Literatur spricht man sich für die gesetzeskonforme Auslegung aus

Auch in der einschlägigen Fachliteratur werden die Begriffe „Prozent“ und „Prozentpunkte“ teilweise nicht korrekt verwendet. Einerseits wird argumentiert, der Kläger müsse auf eine genaue Fassung des Klageantrags achten. Um Teilabweisungen wegen eines unbestimmten Klageantrags entgegenzuwirken, sei der Verzinsungsantrag am Wortlaut des § 288 BGB zu orientieren.17) Andererseits verwenden manche Autoren für den gesetzlichen Zinsanspruch auch die Formulierung „Prozent über dem Basiszinssatz“.18)

Ausgehend von Hartmann19) hat im Jahr 2004 eine Diskussion zur Bezeichnung des „richtigen“ Prozentsatzes begonnen. Damit auseinandergesetzt haben sich einerseits einige der vorstehend erwähnten Gerichte und andererseits mehrere Autoren. Hartmann untersucht in seinem Aufsatz die Frage, wie die Entscheidung des Gerichts auszufallen hat, wenn ein Klageantrag auf Verzugszinsen in Höhe von Prozent anstelle von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gestellt wird. Er analysiert beide Begriffe und kommt zum Ergebnis, dass sie klar und eindeutig definiert seien. Ein Rechtsanwalt dürfte sie eigentlich nicht falsch verwenden. Daraus folgert Hartmann, dass ein anwaltlich gestellter Klageantrag auf nach Prozenten bemessenen Verzugszinsen, sofern sich aus der Begründung nichts Entgegenstehendes ergebe, eindeutig sei. Daran sei ein Gericht gebunden, es könne nicht mehr zusprechen.

Zu dieser Auffassung hat Hartmann jedoch zahlreichen Widerspruch erfahren. Beispielsweise von Weidlich,20) der zum einen aus dem allgemeinen Sprachverständnis hinsichtlich des Wortlautes des § 288 Abs. 1 S. 2 BGB ableitet, dass man keine zweite Bezugsgröße in die Formulierung hineininterpretieren könne. Auch im Lichte der Rechtsprechung des BGH sowie der Formulierungen des Gesetzgebers in anderen Vorschriften seien „Prozentpunkte“ gemeint, obwohl „Prozent“ beantragt seien. So argumentiert auch Führ,21) wonach ein ungenauer Zinsantrag „Prozent über dem Basiszinssatz“ vernünftigerweise nur dahingehend verstanden werden könne, dass in Anlehnung an § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB nur eine Verzinsung mit „Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ in Frage komme. Eindeutig auch die Auffassung von Walter: „Dass Prozent nicht gleich Prozentpunkt entspricht, ist im Ansatz lobenswert, nämlich genau gedacht, schießt aber über das Ziel hinaus; denn wo sich eine Prozentzahl auf eine andere Prozentzahl bezieht im Sinne eines mehr oder eines weniger, da liegt es ziemlich fern, von den Prozenten noch einmal Prozente zu nehmen. Wenn ein Geschäft 10 Prozent Rabatt gewährt und ein Konkurrent verspricht ‘5 Prozent mehr’, dann weiß der Kunde, dass er dort 15 Prozent Rabatt bekommt und nicht 10,5 Prozent.“22)

Auch in einschlägigen Kommentaren zum BGB wird eine Formulierung „Prozent“ gemäß § 133 BGB als „Prozentpunkte“ ausgelegt.23) Wieder andere gehen darauf gar nicht ein, beispielsweise Erman in seiner 12. Auflage 2008, der erläutert, dass die Klage und das Urteil mit „fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ zu formulieren sind.24) So steht es auch im Staudinger in der Neubearbeitung 2004.25) Im MünchKomm, 4. Auflage 2003, heißt es dagegen noch „5 % bzw. 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz“.26)

6. Die Praxis tenoriert im Sinne des Gesetzeswortlauts

Der Gesetzeswortlaut „Prozentpunkte“ wurde erstmals im Jahr 2000 mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen ins BGB eingefügt. In anderen, früher erlassenen Gesetzen wurde noch von „Prozent“ ausgegangen, beispielsweise in § 135 Abs. 3 Satz 3 BauGB, wonach der jeweilige Restbetrag mit höchstens 2 vom Hundert über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank jährlich zu verzinsen ist. Niemand hatte hier je Zweifel daran, dass tatsächlich mit 2 Prozentpunkten zu rechnen ist.

Offensichtlich scheint die Diskussion über „Prozent“ und „Prozentpunkte“ für die Judikatur aber nur ein Papiertiger zu sein und bereitet in der Gerichtspraxis gar keine Probleme. So hat es ja beispielsweise das OLG Hamm gesehen, wonach in der Praxis ein Antrag mit dem Wortlaut „Prozent über dem Basiszinssatz“ ganz einfach als „Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“ ausgelegt werde. Es gibt aber auch Gerichte, die sich mit diesem Unterschied gar nicht weiter befassen. Beispielsweise hat das OLG Karlsruhe mit „fünf Prozent über dem Basiszinssatz“ geurteilt, in seiner Begründung die Zinsen aber richtig mit fünf Prozentpunkten berechnet.27) In gleicher Weise sind auch das LG Düsseldorf28) und im folgenden Berufungsverfahren das OLG Düsseldorf verfahren.29)

Selbst der BGH entscheidet so und interpretiert einen vom Wortlauf her unklaren Zinsantrag als Antrag auf den gesetzlichen Zinssatz nach § 288 BGB. Bereits in früheren Entscheidungen hatte der BGH das Wort „Prozent“ offensichtlich als „Prozentpunkte“ gewertet, ohne dass dieser Unterschied erörtert wurde. In seinen Urteilen vom 28.5.198430) und 8.10.199131) hat er über eine Zinsklausel mit „fünf Prozent über dem jeweiligen Diskontsatz“ entschieden. Der BGH sah offenbar keinerlei Anlass, die Berechnung nach „Prozent über dem Diskontsatz“ dahingehend aufzuklären, dass damit kein prozentueller Aufschlag gemeint ist. Vielmehr wurde davon ausgegangen, dass damit die Addition zweier Prozentzahlen gemeint ist. In einem neueren Verfahren zur Festsetzung von Kindesunterhalt hat der 12. Zivilsenat am 28.5.2008 auf einen Zinsantrag mit „fünf Prozent über dem Basiszinssatz“ Verzugszinsen in Höhe von „fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz“ zugesprochen, ohne in der Begründung darauf näher einzugehen.32) Offensichtlich setzt der BGH einen derartigen Zinsantrag mit dem gesetzlichen Zinssatz des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB gleich.

7. Im Mahnverfahren wurde der amtliche Antrag auf „Prozentpunkte“ berichtigt

Selbst im seitherigen amtlichen Muster „Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides“ hatte es auf Seite 2 in Zeile 40 „II. Laufende Zinsen“ fälschlicherweise „oder % über Basiszinssatz“ geheißen.33) Dem Vernehmen nach soll sich das Bundesministerium der Justiz dazu so geäußert haben, dass die Formulierung „5 % über dem Basiszinssatz“ dahingehend auszulegen sei, dass damit Prozentpunkte gemeint sind. Denn wie der Begründung des Regierungsentwurfs ZPO-RG34) entnommen werden könne, war Anlass für die Änderung der Verordnungen zur Einführung von Vordrucken für das Mahnverfahren die Neufassung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach die festgesetzten Kosten mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind.35) Die missverständliche Formulierung im amtlichen Muster wurde zwischenzeitlich behoben. Im neuen, seit 1.1.2009 eingeführten Vordruck für das Mahnverfahren heißt es in Zeile 40 jetzt „oder %-Punkte über Basiszinssatz“.36)

8. Fazit

Obwohl es sprachlich und auch mathematisch nicht korrekt ist, wird in der notariellen37) und in der prozessualen Praxis bei Verzugszinsen oft kein Unterschied zwischen „Prozent“ und „Prozentpunkten“ gemacht. Die Gerichte greifen auf § 133 BGB zurück, wonach es bei der Auslegung einer Willenserklärung auf den wirklichen Willen ankommt, also offensichtlich fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz gewollt sind.

Im Falle einer Klage wird das Gericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO wohl auf den „falschen“ Zinsantrag hinweisen, vor allem wenn der Kläger nicht anwaltlich vertreten ist.38) Ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO, wonach dem Kläger nicht mehr Zinsen zugesprochen werden dürfen, als er beantragt hat, wird darin wohl nicht gesehen.

Man kann aber auch einwenden, dass eine juristisch ausgebildete Person den Unterschied von Prozent und Prozentpunkten kennen und auch die Prozentrechnung beherrschen muss. Von daher ist es schon bedenklich, eine klare Vereinbarung oder Antragstellung einfach i.S. von § 288 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB auszulegen. Man kann ja durchaus die Meinung vertreten, wer nicht einmal das Gesetz richtig abschreiben kann, ist selbst daran schuld, wenn er weniger als die nach § 288 BGB möglichen Zinsen bekommt. Aber sowohl die überwiegenden Literaturstimmen als auch die herrschende Gerichtspraxis legt eine vom Wortlaut des § 288 BGB abweichende Formulierung gemäß § 133 BGB als gesetzlicher Verzugszins mit fünf bzw. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus.



Aktuelle Ergänzung vom 16.3.2014:

Der BGH hat nun entschieden: Der in einem Urteil enthaltende Zinsausspruch „acht Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz“ ist vom Gerichtsvollzieher regelmäßig dahingehend auszulegen, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind. (BGH, Beschluss v. 7.2.2013 – VII ZB 2/12, KKZ 2013, 284) Diese Auslegung entspricht der Zinsregelung in § 288 Abs. 1 BGB.



Anmerkungen:

1) Siehe auch www.bundesbank.de/presse/presse_zinssaetze.php.

2) http://de.wikipedia.org/wiki/Prozent.

3) Pro|zent|punkt, der [wohl für engl. percentage point]: Prozent als Differenz zwischen zwei Prozentangaben: der Stimmenanteil der Partei ist von 40 % auf 45 %, also um 5 Prozentpunkte gestiegen. © Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage 2006.

4) http://de.wikipedia.org/wiki/Prozentpunkt.

5) Der Grundsatz ne ultra petita [lat. nicht mehr als gefordert] besagt, dass ein Gericht nicht mehr zusprechen darf, als beantragt wurde.

6) OLG Hamm, Urteil v. 5.4.2005 – 21 U 149/04, NJW 2005, 2238 = BauR 2005, 1648 = ZIP 2005, 2103.

7) Beschluss v. 30.3.2006 – 20 W 189/05, NJW-RR 2006, 1603.

8) Beschluss vom 2.10.2003 – 7 T 263/03, nicht veröffentlicht.

9) BSG, Urteil v. 19.4.2007 – B 3 KR 10/06 R, PflR 2007, 382 = USK 2007, 48.

10) OLG Frankfurt/M., Urteil v. 5.12.2007 – 7 U 200/06, RuS 2008, 522.

11) LAG Nürnberg, Urteil v. 10.5.2005 – 7 Sa 622/04, NZA-RR 2005, 492.

12) OLG Koblenz, Teilurteil v. 26.6.2006 – 12 U 685/05, NJW-RR 2007, 813.

13) Urteil v. 10.7.2002 – 4 Ca 702/01, nicht veröffentlicht.

14) LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 13.3.2003 – 11 Sa 106/02, www.vd-bw.de.

15) BAG, Urteil v. 2.3.2004 – 1 AZR 271/03, NZA 2004, 852.

16) OLG Celle, Urteil v. 12.12.2002 – 13 U 56/02, NZI 2003, 95 = ZIP 2003, 412.

17) Schimmel/Buhlmann, Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, MDR 2000, 737; in diesem Sinne auch Reichenbach, Tenor und Klageantrag bei gesetzlichen Zinssätzen mit variablen Bezugsgrößen, MDR 2001, 13.

18) Reischl, Grundfälle zum neuen Schuldrecht, JuS 2003, 250; Böhringer, Neue Entwicklungen im Grundstücksrecht, BWNotZ 2006, 118, 125.

19) Hartmann, Prozente und Prozentpunkte beim Klageantrag auf Verzugszinsen, NJW 2004, 1358.

20) Weidlich, Prozente und Prozentpunkte beim Anspruch auf Verzugszinsen, DNotZ 2004, 820.

21) Führ, Aus der Praxis: Prozent oder Prozentpunkte – Ein gar nicht so kleiner und feiner Unterschied?!, JuS 2005, 1095.

22) Walter, Über den juristischen Stil, JURA 2006, 344.

23) Palandt, 68. Auflage 2009, § 288 Rdnr. 7; Prütting/Wegen/Weinreich, 4. Auflage 2009, § 288 Rdnr. 3.

24) Siehe § 288 Rdnr. 8.

25) Siehe § 288 Rdnrn. 3 und 13.

26) Siehe § 288 Rdnrn. 2 und 4.

27) OLG Karlsruhe, Urteil v. 30.3.2004 – 21 U 9/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 433 = ZIP 2004, 2064 = ZInsO 2004, 868.

28) LG Düsseldorf, Urteil v. 31.5.2002 – 36 O 27/01, nicht veröffentlicht.

29) OLG Düsseldorf, Urteil v. 13.3.2003 – I-5 U 102/02, OLGReport Düsseldorf 2003, 438.

30) Az.: III ZR 231/82, NJW 1984, 2941 = WM 1984, 1174.

31) Az.: XI ZR 259/90, BGHZ 115, 268 = NJW 1992, 109 = MDR 1992, 151.

32) BGH, Beschluss v. 28.5.2008 – XII ZB 34/05, NJW 2008, 2710 = MDR 2008, 1039 = DNotZ 2008, 936.

33) Siehe dazu auch Sterzinger-Graf, NJW-aktuell Heft 24/2004, Seite XVIII und Delank, NJW-aktuell Heft 31/2004, Seite XVI.

34) BT-Dr 14/4722, S. 127.

35) www.justizforum.nrw.de/showthread.php?t=510.

36) www.mahngerichte.de/verfahren/antragstellung/zulaessigevordrucke.htm#Mahnbescheidsantrag.

37) Vgl. auch den Aufsatz von Böhringer, Neue Entwicklungen im Grundstücksrecht, BWNotZ 2006, 118, 125, wonach als Zinssatz i.S. des § 1115 BGB „5 Prozent über dem Basiszins“ einzutragen wären.

38) BGH, Urteil v. 21.1.1999 – VII ZR 269/97, NJW 1999, 1264 = MDR 1999, 495 = BauR 1999, 510.

Stand Juni 2010/März 2014

© IKV Erwin Ruff



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