Das Erbbaurecht

1. Die Chance auf Bauland für junge Familien

Bauland ist teuer, wenngleich die regionalen Unterschiede beträchtlich sind. Angesichts der hohen Bauplatzpreise müssen deshalb viele Bauwillige den Traum vom Eigenheim begraben. Als Alternative zum teuren Grundstückskauf bieten manche Kommunen Baugrundstücke im Erbbaurecht an. Sie sehen darin eine Chance, finanzschwache junge Familien mit Kindern am Ort zu halten oder neu anzusiedeln. Das Erbbaurecht ist eines der in § 4 Abs. 1 WoFG erwähnten Instrumente zur Wohnbaulandbereitstellung. Rechtsgrundlage ist das Gesetz über das Erbbaurecht (Erbbaurechtsgesetz – ErbbauRG v. 15.1.1919, RGBl I S. 72, 122, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.11.2007, BGBl. I S. 2614) Mit dem Erbbaurecht erhält der Bauherr nach § 1 Abs. 1 ErbbauRG das veräußerliche und vererbliche Recht, sein Haus auf einem fremden Grundstück zu errichten und es wie ein Eigentümer zu nutzen. Das gibt dem Nutzer Sicherheit über Generationen. Und steuerrechtlich werden Gebäude auf Erbbauland oder auf eigenem Grundstück gleich behandelt.

Ein Erbbaurecht ist kein Besitz zweiter Klasse, sondern lediglich eine andere Form als der Grundstückskauf. Vorteil des Erbbaurechts: Der Bauherr muss kein Grundstück erwerben und spart die Kreditraten für die Finanzierung des Grundstückspreises. Statt dessen entrichtet er einen Erbbauzins für die Inanspruchnahme des Grundstücks, der sich pro Jahr auf 4 bis 6 % des Grundstückswerts bemisst. So kostet beispielsweise der Erbbauzins für ein 90.000 € teures Grundstück bei einem Zinssatz von 4 % anfangs 300 € im Monat. Für den Kauf des gleichen Grundstücks würden bei einem angenommenen Festzins von 6 % und 1 % Tilgung monatlich eine Kreditbelastung in Höhe von 525 € anfallen. Außerdem benötigt der Bauherr insgesamt für den Bau weniger Eigenkapital als bei einem Grundstückskauf. Über das Erbbaurecht kann sich zumindest die Anfangsbelastung erheblich verringern. So gesehen kann das Erbbaurecht für solche Familien mit Kindern interessant sein, die zwar Wohneigentum anstreben, deren Finanzierungsrahmen zunächst jedoch den Grundstückserwerb nicht zulässt. Dies um so mehr, sofern eine Gemeinde nur einen erheblich verbilligten Erbbauzins fordert.

Langfristig kann das Erbbaurecht aber auch Nachteile mit sich bringen. In aller Regel ist ein Grundstückskäufer nach spätestens 30 Jahren Eigentümer eines schuldenfreien Grundstücks. Demgegenüber zahlt der Erbbauberechtigte für die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts Zinsen, die sich im Laufe der Jahre deutlich erhöhen können. Neben seinen finanziellen Belastungen auf lange Sicht muss ein Erbbauberechtigter, je nach Vertragsgestaltung, eine Reihe von Verpflichtungen und Beschränkungen auf sich nehmen, die ein Grundstückseigentümer nicht hat. Ob sich das Erbbaurecht für die Gemeinde und den Erbbauberechtigten insgesamt lohnt, hängt damit von der fairen Gestaltung des Erbbaurechtsvertrags ab. Und der Gemeinderat muss den kommunalpolitischen Willen haben, Erbbaurechte zu vergeben. Dieser Wille wird eher in solchen Kommunen vorhanden sein, die ihre Kommunalfinanzen nicht durch Verkaufserlöse nachhaltig verbessern müssen. Wo das Stopfen der Haushaltslöcher durch Grundstückserlöse im Vordergrund steht, wird die Förderung des Wohnungsbaus zurücktreten müssen. Das ist auch beim Bund und den Ländern so, die ihre Wohnbauflächen grundsätzlich veräußern. Kirchen vergeben Baugrundstücke grundsätzlich im Erbbaurecht.

Obwohl das Erbbaurecht in Deutschland bereits 1919 gesetzlich verankert wurde, spielt es nur eine untergeordnete Rolle. Nach einer Untersuchung des Hamburger Gewos-Instituts aus dem Jahr 1995 - neuere Zahlen liegen leider nicht vor - wurden in diesem Jahr noch nicht einmal 4.000 Erbbaurechte neu bestellt, davon 50 Prozent durch Kommunen. Etwa zwei Drittel der Erbbaurechte entfallen auf Einfamilienhausgrundstücke. Vielleicht mag die geringe Anzahl von Erbbaurechten auch daran liegen, dass nach dem Bewusstsein vieler Bauwilliger nur herkömmliches Grundstücks-Volleigentum unabhängig und sicher macht und das Erbbaurecht eher negativ, weil von Abhängigkeit geprägt, ist. Dabei sind eventuelle Vorbehalte gegen das Erbbaurecht ausschließlich emotionaler Natur. Rein sachlich betrachtet, spricht nichts dagegen. Vor allem nach den Erfahrungen der Kirchen, die in den letzten Jahrzehnten viel Erbbauland zur Verfügung gestellt haben, spricht einiges dafür, auch dieses Mittel zum günstigen Bauen nicht ganz außer Acht zu lassen.

Nicht nur für den Eigenheimbau können Erbbaurechte vergeben werden. Kommunen machen das auch für Vereine, die auf dem Erbbaugrundstück ein Vereinsheim bauen oder für Träger der freien Wohlfahrtspflege zum Bau von Alten- oder Pflegeheimen. Gerade bei Alten- oder Pflegeheimen ist dies ein Beitrag zu möglichst kostengünstigen Heimplätzen. Auch zum Bau einer Sportanlage wird das Grundstück oft über ein Erbbaurecht bereitgestellt (BGH, Urteil v. 10.1.1992 – V ZR 213/90, NJW 1992, 1681 = MDR 1992, 581).



2. Der Erbbaurechtsvertrag

2.1 Grundzüge

Der herkömmliche Bauplatzkäufer und Bauherr ist Eigentümer von Baugrund und Gebäude. Anders beim Erbbaurecht: Das Besondere hierbei ist die Aufteilung zwischen Grundstücks- und Gebäudeeigentum. Die Gemeinde als Erbbaugeberin bleibt Eigentümerin des Baugrundstücks. Das Gebäude gehört dem Erbbauberechtigten, mit dem er machen kann, was er will. Er kann sein Haus beispielsweise vermieten, umbauen oder verkaufen. Auch ist das Erbbaurecht vererbbar oder kann veräußert werden. Weil das Erbbaurecht im Grundbuch stets an erster Stelle eingetragen wird, sichert es dem Erbbauberechtigten eine eigentümerähnliche Stellung.

Im Hinblick auf das belastete Grundstück ist das Erbbaurecht ein beschränkt dingliches Recht und wird im Grundbuchblatt des Grundstücks, also des Erbbaugebergrundstücks, in Abt. II als Belastung eingetragen. Gem. § 10 Abs. 1 ErbbauRG kann das Erbbaurecht ausschließlich an der ersten Rangstelle bestellt werden. Eine nachrangige Eintragung ist unzulässig. Das auf dem Erbbaugrundstück erstellte Haus ist wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts und nicht des Grundstücks.

Nach § 11 Abs. 2 ErbbauRG kann das Erbbaurecht nur per notariell beurkundetem Vertrag wirksam bestellt werden. Als gesetzlicher Rahmen für das Erbbaurecht sieht die Erbbaurechtsverordnung jedoch nur sehr geringe Mindestanforderungen für die Vertragsgestaltung vor. Der Spielraum für Inhalt und Umfang des Erbbaurechts ist deshalb für die Vertragsparteien groß, und davon wird auch rege Gebrauch gemacht.

Zur Dauer des Erbbaurechts gibt es keine gesetzlichen Beschränkungen. Meistens wird es auf einen Zeitraum von 99 Jahren vereinbart. Es kann aber auch ein anderer Zeitraum, beispielsweise 40, 50 oder 75 Jahre, festgelegt werden. Das Erbbaurecht ist während dieser Zeit unkündbar. Der Erbbauberechtigte verpflichtet sich normalerweise, innerhalb einer Frist von zwei oder drei Jahren ein Gebäude zu errichten. Sofern das Bauvorhaben im Vertrag nur kurz beschrieben wird, beispielsweise Einfamilienhaus mit Garage, lässt das dem Bauherrn einen weiten Gestaltungsspielraum. Das kann sogar so weit gehen, ein Erbbaurecht einzuräumen, wonach auf dem Grundstück „Gebäude aller Art in Übereinstimmung mit dem zu erstellenden Bebauungsplan“ errichtet werden dürfen (BGH, Urteil v. 12.6.1987 – V ZR 91/86, NJW 1987, 2674 = MDR 1987, 923). Im Vertrag können aber auch genauso gut präzise Vorgaben vereinbart werden, zum Beispiel über die Größe des Gebäudes, die Bauausführung, die Fassade oder sogar zur Art der Bepflanzung. Der Erbbauberechtigte verpflichtet sich, das Gebäude ordnungsgemäß Instand zu halten und alle öffentlichen Lasten zu tragen. Selbstverständlich kann das Erbbaurecht zum Zweck der Darlehensabsicherung für den Hausbau wie jedes andere Grundstück mit Grundschulden oder Hypotheken belastet werden. Dazu kann nach § 5 Abs. 2 ErbbauRG die Zustimmung des Grundstückseigentümers erforderlich werden.

Das Erbbaurecht entsteht durch die dingliche Einigung zwischen den Betroffenen und Eintragung ins Grundbuch. Für das Erbbaurecht wird ein Erbbaugrundbuch angelegt. Der dingliche Inhalt des Erbbaurechts wirkt gegenüber allen Sonderrechtsnachfolgern der Vertragsparteien, also insbesondere auch gegenüber dem Ersteher in der Zwangsversteigerung.



Rechtsstand Mai 2009

© IKV Erwin Ruff

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