Neue Abzugsbesteuerung (Bauabzugssteuer) für Bauleistungen


1. Neue Bauabzugssteuer seit 2002

Eine Gemeinde saniert ihr Schulgebäude und beauftragt dabei eine Fensterbaufirma mit dem Austausch der alten Holzfenster gegen moderne wärmedämmende Glaselemente. Der Auftragswert beläuft sich auf 150.000 €. Den Rechnungsbetrag überweist die Gemeindekasse innerhalb von zwei Wochen an den Handwerksbetrieb. Ein alltägliches Geschäft, bei dem sich bis einschließlich 2001 keine steuerrechtlichen Besonderheiten ergeben hatten.


Seit 1. Januar 2002 muss die Gemeinde bei Bauleistungen eine wesentliche Neuregelung beachten: Die Bauabzugssteuer. Grundlage hierfür ist das Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30. August 2001, das am 7. September 2001 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 2267). Mit diesem Gesetz hat der Bund einen neuen Anlauf zur Bekämpfung der illegalen Betätigung im Baugewerbe unternommen. Insbesondere sollen die Schwarzarbeit und die illegale Ausländerbeschäftigung am Bau unterbunden und verschiedene steuerliche Verschleierungs- und Umgehungsmethoden von Bauunternehmen verhindert werden. Auch will man die Steuerhinterziehung durch beauftragte Nachunternehmer unmöglich machen.


Das alles soll durch die Einführung eines 15 %igen Steuerabzugs bei Bauleistungen sowie die Zentralisierung des Besteuerungsverfahrens ausländischer Bauunternehmen nach dem Vorbild der Umsatzsteuer geschehen. Den neuen Steuerabzug für den Fiskus hat derjenige vornehmen, der eine Bauleistung beauftragt und empfangen hat. Welche Auswirkungen das neue Gesetz auf die Kommunen hat, wird nachstehend beschrieben. Ergänzend wird auf das BMF-Schreiben v. 1.11.2001 – IV A 5 – S 1900 – 292/01, BStBl I S. 804 verwiesen, das unbedingt zur Lektüre empfohlen wird. Das Bundesfinanzministerium hat dieses Schreiben am 27.12.2002 (Az.: IV A 5 - S 2272 – 1/02) neu gefasst und im BStBl 2003 veröffentlicht.


2. Das Gesetz trat erst nach mehreren Anläufen in Kraft
Die Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe war schon mehrfach Gegenstand von Gesetzgebungsvorhaben, auch auf dem Gebiet des Steuerrechts. Dazu war zum 1.4.1999 mit § 50a Abs. 7 EStG des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 eine 25 %ige Abzugssteuer auf Vergütungen an ausländische Dienstleistungserbringer eingeführt worden. Die Europäische Kommission hatte jedoch die Ansicht vertreten, diese Regelung widerspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und schränke die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union ein. Sie hatte beschlossen, der Bundesrepublik Deutschland ein Fristsetzungsschreiben (erste Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens) zu

übermitteln. Daraufhin wurde § 50a Abs. 7 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 wieder aufgehoben.


Der Bundesrat hatte sich in einer Stellungnahme zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 für den Fall, dass ein Konsens mit den EU-Partnerstaaten nicht bis Mitte 2000 zu erreichen sein sollte, vorbehalten, selbst einen Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung einzubringen. Da dies nicht erfolgt ist, hat der Bundesrat am 29.9.2000 (BR-Drucksache 297/00) einen Gesetzentwurf zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe beschlossen, der am 16.11.2000 (BT-Drucksache 14/4658) eingebracht wurde. Nachdem der Bundestag im Mai 2001 das Gesetz beschlossen hat (BT-Drucksache 14/6071), hat auch der Bundesrat dem Gesetz am 22.06.2001 (BR-Drucksache 383/01) zugestimmt. (Anmerkung: Der interessierte Leser kann die entsprechenden Bundesrats- und Bundestagsdrucksachen unter der Adresse dip.bundestag.de/ herunterladen).


3. Die abzugsverpflichteten Leistungsempfänger

Der wesentliche Inhalt des neuen Gesetzes ergibt sich aus seinem Artikel 4, durch den in das Einkommensteuergesetz ein neuer Abschnitt VII „Steuerabzug bei Bauleistungen“ eingefügt wurde. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG muss der Leistungsempfänger (Auftraggeber) den Steuerabzug vornehmen, wenn jemand (Leistender) für ihn im Inland Bauleistungen erbringt.


Als Leistungsempfänger gelten alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts und alle Unternehmer im Sinne des § 2 UStG. Damit sind die Gemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts unmittelbar im Gesetz genannt. Nachdem hinsichtlich des Unternehmerbegriffs auf § 2 UStG verwiesen wurde, sind auch alle kommunalen Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform, zum Steuerabzug verpflichtet. Als Unternehmen gilt auch die steuerfreie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Vermietungen durch die Kommune selbst (also im Kernhaushalt) oder durch eine rechtlich selbstständige kommunale Wohnungsgesellschaft erfolgen.


Für die Kommunen und ihre Unternehmen ist die Abwicklung der Bauabzugssteuer eine weitere Belastung, für die sie keine unmittelbaren Gegenleistungen und keine Vergütung bekommen. Dies ist ein weiterer Mosaikstein in der viel beklagten Aufgabenüberbürdung auf Städte und Gemeinden durch Gesetze des Bundes. Schließlich ist zum Einzug von Unternehmenssteuern und Steuerabzügen aufgrund unternehmerischer Tätigkeiten der Fiskus verpflichtet und nicht die Kommunen. Andererseits: Sollte der Bund durch das neue Gesetz sein Ziel tatsächlich erreichen und die Steuerhinterziehung wirksam bekämpfen, könnten auch die Kommunen durch höhere Zuweisungen aus dem Gesamtaufkommen der Einkommensteuer partizipieren.


4. Welche Leistungen werden vom Steuerabzugsverfahren erfasst?

Vom Steuerabzug sind nur Bauleistungen betroffen. Darunter versteht man nach § 48 Abs. 1 Satz 2 EStG alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Nach der Gesetzesbegründung wurde der Begriff der Bauleistung aus § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III übernommen, der in §§ 1 und 2 Baubetriebe-Verordnung konkretisiert ist. Die Bezugnahme auf §§ 1 und 2 Baubetriebe-Verordnung bedeutet jedoch nicht, dass nur Leistungen von Baubetrieben erfasst würden, die der Winterbauförderung unterliegen. Im Gegenteil: Vom Steuerabzugsverfahren werden vielmehr auch diejenigen Bauleistungen erfasst, die von Betrieben erbracht werden, die gemäß § 2 Baubetriebe-Verordnung von der Winterbauförderung ausgeschlossen sind. Mit anderen Worten: Wenn es bei der Frage, ob eine Bauleistung vorliegt, Auslegungsprobleme gibt, hilft ein Blick in die Baubetriebe-Verordnung weiter (diese ist dem BMF-Schreiben vom 27.12.2002 als Anhang beigefügt).


Alle in §§ 1 und 2 dieser Verordnung enthaltenen Arbeiten sind Bauleistungen i. S. v. § 48 Abs. 1 EStG. Zur Auslegung des Begriffs „Bauwerk“ kann auf das Tarifvertragsrecht zurückgegriffen werden. Bauwerke sind danach „irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen (BAG, Urteil v. 21.1.1976 – 4 AZR 71/75). Dazu gehören beispielsweise auch Fenster, Bodenbeläge oder Einrichtungsgegenstände, die fest mit dem Gebäude verbunden sind.


Üblicherweise werden Bauleistungen im Rahmen eines Werkvertrags erbracht. Allerdings ist das Steuerabzugsverfahren nicht auf Werkverträge beschränkt. Es ist auch anzuwenden, wenn der der Bauleistung zugrunde liegende Vertrag zivilrechtlich als Werklieferungsvertrag anzusehen ist. Unerheblich ist auch, ob die Erbringung von Bauleistungen Unternehmenszweck des Leistenden (Auftragnehmer) ist oder ob er mit seinem Unternehmen überwiegend Bauleistungen erbringt. Auch wenn jemand nur ausnahmsweise eine Bauleistung erbringt, ist der Steuerabzug vorzunehmen.


Reine Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gelten nicht als Bauleistungen. Von den nach der HOAI zu vergütenden Leistungen ist daher keine Bauabzugssteuer einzubehalten. Anders, wenn die Planungsleistungen eine Nebenleistung einer Bauleistung sind, wenn also beispielsweise der ausführende Bauunternehmer gleichzeitig auch die Planung eines Bauwerks übernimmt. Dann teilt die Planungsleistung als Nebenleistung generell das Schicksal der den Vertrag prägenden Hauptleistung, nämlich der Bauleistung. Ebenfalls keine Bauleistungen sind Materiallieferungen durch einen Baustoffhändler.


Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG ist Steuertatbestand, dass „jemand im Inland eine Bauleistung erbringt“. Dabei ist es unbeachtlich, ob der Bauunternehmer seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat. Das gilt auch beim Bestehen eines Doppelbesteuerungsabkommens mit demjenigen Land, in dem der ausländische Bauunternehmer seinen Sitz hat.


Als Leistender gilt nach § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG auch derjenige, der über eine Leistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben. Das betrifft den Fall der Beauftragung eines Generalunternehmers, der selbst nicht als Baubetrieb tätig wird, der aber die Leistungen der beauftragten Subunternehmer abrechnet. Sofern ein Auftrag zur Ausführung einer Bauleistung nur vermittelt wird, beispielsweise durch einen Maschinenring, ist nicht der Vermittler zum Abzug verpflichtet, sondern der Leistungsempfänger; also die Gemeinde.


5. Höhe des Steuerabzugs

Aus § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt sich die Höhe des Steuerabzugs: 15 % der Gegenleistung. Gegenleistung ist das Entgelt für die Bauleistung zuzüglich Umsatzsteuer. Ein Solidaritätszuschlag auf den Steuerabzugsbetrag wird nicht erhoben. Problemlos ist das Abzugsverfahren bei einer einzigen Rechnung des Unternehmers. Da es im Baubereich um größere Summen geht, kann der Unternehmer nach § 16 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B Abschlagszahlungen für nachgewiesene vertragsgemäße Leistungen einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer verlangen.


Hier stellt sich die Frage, ob der Steuerbetrag bereits von der Abschlagszahlung abzuziehen ist. Das ist eindeutig zu bejahen. Gegenleistung ist jeder Geldbetrag ohne Rücksicht darauf, wann und aus welchem Grund er gezahlt wurde. Deshalb sind auch Abschlagszahlungen Gegenleistungen i. S. v. § 48 Abs. 1 Satz 1 EStG und unterliegen dem Abzugsverfahren. Das gilt natürlich auch für eventuelle Vorauszahlungen nach § 16 Nr. 2 VOB/B.

Sofern die Gemeinde von der Unternehmerrechnung
Skonto, einen Nachlass oder Kostenersatz für Baustrom, Bauwasser etc. abziehen kann, mindert das natürlich den Rechnungsbetrag. Derartige Minderungen des Bruttorechnungsbetrags wirken sich auf die Gegenleistung aus. Weil es sich bei der Abzugssteuer auf Bauleistungen um eine so genannte Ist-Versteuerung handelt, bildet nur der tatsächlich geschuldete Rechnungsbetrag die Besteuerungsgrundlage.

Beispiel

Für die Bauleistung stellt der Unternehmer 200.000 € zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Rechnung. Laut Bauvertrag kann die Gemeinde bei Einhaltung des vereinbarten Zahlungsziels 3 % Skonto abziehen.


Sofern sich die Gemeinde vertraglich eine Sicherheitsleistung für die Dauer der Gewährleistung vorbehalten hat, beispielsweise 5 % der Rechnungssumme auf 2 Jahre, ist meines Erachtens der Sicherheitseinbehalt gleichfalls von der steuerpflichtigen Gegenleistung abzuziehen. Dann müsste das obige Beispiel wie folgt fortgeführt werden:


Erst wenn auch der Sicherheitseinbehalt ausbezahlt wird, hat die Gemeinde die darauf entfallende Bauabzugssteuer in Höhe von 15 % an das Finanzamt zu überweisen.


6. Freigrenzen für den Steuerabzug

Ein Steuerabzug ist nach § 48 Abs. 2 EStG nicht vorzunehmen, wenn die an die Gemeinde zu erbringende Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 5.000 € nicht übersteigen wird. Diese Freigrenze beträgt für einen Leistungsempfänger, der ausschließlich steuerfreie Umsätze aus Vermietung und Verpachtung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG ausführt, 15.000 €.


Die Anwendung dieser Freigrenze (Bagatellgrenze) verlangt von der Gemeinde eine vorausschauende Betrachtung der an einen bestimmten Auftragnehmer im laufenden Kalenderjahr zu leistenden Zahlungen. Der Steuerabzug ist deshalb auch von Abschlagszahlungen unter 5.000 € vorzunehmen, wenn nach dem voraussichtlichen Auftragsvolumen zu erwarten ist, dass die Freigrenze im laufenden Kalenderjahr überschritten wird. Deshalb muss derjenige Bedienstete, der die Baurechnungen prüft und zur Auszahlung freigibt, genau überwachen, wie hoch die voraussichtliche Abrechnungssumme aller Aufträge an eine bestimmte Baufirma sein wird. Denn nach § 48 Abs. 2 Satz 2 EStG sind alle erbrachten und voraussichtlich zu erbringenden Bauleistungen einer Baufirma für das laufenden Kalenderjahr zusammenzurechnen. Maßgebend ist demnach nicht die Auftragssumme eines einzelnen Auftrags, sondern die Summe aller Bauleistungen im Kalenderjahr.


Beispiel

Eine Baufirma wird im laufenden Jahr voraussichtlich 5 kleine Bauaufträge für die Gemeinde ausführen. Die Auftragssumme jedes Auftrags beläuft sich auf brutto 1.500 €. Weil die Summe aller Bauleistungen 7.500 € beträgt, muss bereits von der ersten Rechnung über 1.500 € die Bauabzugssteuer in Höhe von 15 % abgezogen werden, und anschließend von jeder weiteren Rechnung.


7. Anmeldung und Abführung des Steuerabzugs

Die Gemeinde muss nach § 48a Abs. 1 EStG die Abzugssteuer bis zum 10. Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums beim für den Leistenden zuständigen Finanzamt anmelden. Hierfür ist ein amtlich vorgeschriebener Vordruck zu verwenden. Anmeldungszeitraum ist der Monat, in dem die Gegenleistung erbracht wird. In der Anmeldung sind alle im Anmeldungszeitraum geleisteten Zahlungen einzeln anzugeben, woraus der Steuerabzugsbetrag zu berechnen ist. Weil jede Zahlung an eine Baufirma eine Gegenleistung im Sinne des Gesetzes ist, müssen in der Anmeldung natürlich auch alle Abschlagszahlungen und Vorauszahlungen erfasst werden.


Der Abzugsbetrag ist am 10. Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums fällig und an die für den Leistenden zuständige Finanzkasse für Rechnung des Leistenden abzuführen. Beispielsweise hat für eine Baurechnung, die am 25. März bezahlt wird, die Anmeldung und Abführung der Steuer bis 10. April zu erfolgen. Bei verspäteter Zahlung kann das Finanzamt Verspätungszuschläge und Säumniszuschläge fordern.


Zuständiges Finanzamt ist dasjenige, in dessen Bezirk der Leistende seinen Wohnsitz oder seinen Geschäftssitz hat. Am einfachsten fragt man den Auftragnehmer nach seinem zuständigen Finanzamt. Bestehen darüber Zweifel, kann man diese Angaben im Internet unter www.finanzamt.de abfragen. Für Firmen aus dem Ausland besteht aufgrund von § 20a AO je nach Herkunftsland eine zentrale Finanzamtszuständigkeit (siehe hierzu die Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung).


Über den Steuerabzug rechnet die Gemeinde nach § 48a Abs. 2 EStG mit dem Leistenden ab. Für die Abrechnung sind Mindestangaben festgelegt worden. Folgende Angaben müssen enthalten sein:

Der Einfachheit halber kann der Firma ein Durchschlag der Steueranmeldung übergeben werden. Die Firma benötigt diese Unterlage für ihre Abrechnung mit dem Finanzamt.


8. Beim Vorliegen einer Freistellungsbescheinigung entfällt der Steuerabzug

Auch wenn die Gegenleistung die Bagatellgrenze übersteigt, muss der Steuerabzug nach § 48 Abs. 2 EStG nicht vorgenommen werden, wenn der Leistende der Gemeinde eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt. Der Leistende kann diese Bescheinigung bei dem für ihn zuständigen Finanzamt beantragen. Das Finanzamt erteilt eine Freistellungsbescheinigung nach amtlichem Vordruck, wenn der Antragsteller die in § 48b EStG genannten Voraussetzungen erfüllt. Die Freistellungsbescheinigung gilt längstens drei Jahre ab Antragstellung. Sie kann auch verkürzt oder nur für ein bestimmtes Projekt ausgestellt werden.


Damit die Gemeinde vom Steuerabzug absehen kann, muss ihr die Freistellungsbescheinigung vor Auszahlung des Rechnungsbetrags vorliegen. Diese ist in Kopie zu den Akten zu nehmen, am besten beim zuständigen Fachamt. Sofern die Baufirma nur eine projektbezogene Freistellungsbescheinigung vorlegt, muss diese im Original an die Gemeinde übergeben werden. Die Aufbewahrung bei der Gemeinde ist unabdingbar, weil sich daraus unter Umständen Haftungsfragen gegenüber dem Fiskus lösen lassen.


Es wird auch empfohlen, auf dem Rechnungsbeleg zu vermerken, dass eine Freistellungsbescheinigung vorliegt und deshalb der ungekürzte Rechnungsbetrag ausgezahlt werden kann. Das ist Teil der sachlichen Richtigkeitsfeststellung, ohne die eine Zahlungsanordnung nicht erteilt werden darf.


Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass das Finanzamt die Freistellungsbescheinigung nur widerruflich erteilt. Einen Widerruf oder eine Rücknahme der Bescheinigung wird das Finanzamt der Gemeinde mitteilen; daraus können sich dann folgende Konsequenzen ergeben: Wird eine rechtmäßige Freistellungsbescheinigung für die Zukunft widerrufen, so ist sie für Gegenleistungen, die nach diesem Zeitpunkt erbracht werden, nicht mehr gültig. Entsprechendes gilt, wenn eine rechtswidrige Freistellungsbescheinigung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. In diesem Fall war die Abstandnahme vom Steuerabzug jedoch bereits in der Vergangenheit unzulässig. Dies hat zur Folge, dass die Gemeinde von künftigen Gegenleistungen den Steuerabzug vornehmen muss und – bei der Rücknahme – auch den Steuerabzug für bereits erbrachte Gegenleistungen nachzuholen hat. Das muss bei der nächsten Gegenleistung geschehen.


9. Für nicht abgeführte Steuern haftet die Gemeinde

Es ist davon auszugehen, dass wohl die meisten Firmen eine Freistellungsbescheinigung beantragen werden. Trotzdem kann die Gemeinde nicht unterstellen, dass auch jede Firma diese Bescheinigung bekommt. Deshalb muss auch bei Firmen, mit denen man seit Jahren erfolgreich zusammenarbeitet, unbedingt vor der Auszahlung eines Rechnungsbetrags auf die Vorlage der Freistellungsbescheinigung bestanden werden.


Das gilt umso mehr bei ausländischen Firmen, weil das Steuerabzugsverfahren ungeachtet von Doppelbesteuerungsabkommen durchzuführen ist. Denn nach § 48a Abs. 3 EStG haftet die Gemeinde für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Dabei kommt es nicht auf ein Verschulden seitens der Kommune an. Schon deshalb wird jeder Bürgermeister gut beraten sein, seine Mitarbeiter unbedingt per Dienstanweisung auf die Verpflichtungen nach diesem Gesetz hinzuweisen.


Zu erwähnen sind auch mögliche Konsequenzen für den Fall eines unterbliebenen Steuerabzugs und daraus resultierender Haftung der Gemeinde. Die dafür verantwortlichen Bediensteten müssen mit dienst- und schadenersatzrechtlichen Sanktionen rechnen.


Eine Haftung der Gemeinde scheidet aus, wenn im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit sie vertrauen konnte. Allerdings darf die Gemeinde nicht auf die Freistellungsbescheinigung vertrauen, wenn diese rechtswidrig erlangt wurde und ihr dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Jede Freistellungsbescheinigung trägt ein Dienstsiegel und eine Sicherheitsnummer. Im Zweifel kann die Gemeinde im Wege einer elektronischen Abfrage beim Bundeszentralamt für Steuern eine Bestätigung für die Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung erhalten.


Sollte die Gemeinde gegen die Steuerabzugsverpflichtung verstoßen, kann dies nach § 380 AO mit einem Bußgeld bis zu 25.000 € geahndet werden.


10. Zeitpunkt der Anwendung

Erstmals anzuwenden ist das neue Steuerabzugsverfahren für Gegenleistungen, die nach dem 31. Dezember 2001 erbracht werden. Es kommt nach dem Gesetzeswortlaut nicht auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung an. Abgestellt wird lediglich darauf, wann die Zahlung geleistet wird. Wenn also die Bauleistung vom Leistenden vor dem Jahre 2002 erbracht wurde, die Gegenleistung aber erst in 2002 oder später erfolgt, kommen die Regelungen zum neuen Steuerabzugsverfahren zur Anwendung.


Berechnungsbeispiele zur Bauabzugssteuer:

Gegenleistung

225.040,00 €

abzüglich 5 % Sicherheitseinbehalt

- 11.252,00 €

Gegenleistung zum Steuerabzug

213.788,00 €

Abzugssteuer 15 %

- 32.068,20 €

Zahlung an den Unternehmer

181.719,80 €


Rechnungsbetrag netto

200.000,-- €

zuzüglich 16 % MwSt.

32.000,-- €

Rechnungsbetrag brutto

232.000,-- €

3 % Skontoabzug

- 6.960,-- €

Gegenleistung

225.040,-- €

Abzugssteuer 15 %

- 33.756,-- €

Zahlung an den Unternehmer

191.284,-- €


Rechtsstand Januar 2003/2007

© IKV Erwin Ruff (Originalaufsatz erschienen in Finanzwirtschaft Heft 1/2002)

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